Samstag, 14. Oktober 2017

Gibt Merkel das Hanf frei ?



SCHWARZ-GELB-GRÜN Liberale und Grüne wollen Cannabis legalisieren / Rheinland-pfälzische CDU skeptisch 
MAINZ - „Gebt das Hanf frei“, rief Grünen-Ikone Hans-Christian Ströbele. Das war vor 15 Jahren auf der „Hanfparade“ in Berlin. Polizisten hatten einen Wagen der Grünen Jugend angehalten und mehrere Pflänzchen mit den gezackten Blättern beschlagnahmt. Ströbele wurde berühmt: TV-Ulknudel Stefan Raab komponierte zusammen mit Reggae-Sänger Shaggy aus dem Hanf-Schrei einen Ohrwurm.
Womöglich erfüllt sich Ströbeles Wunsch schon bald. Denn in den anstehenden Verhandlungen um eine Jamaika-Koalition auf Bundesebene könnte das Thema aufs Tapet kommen. Sowohl FDP als auch Grüne sprechen sich in ihren Wahlprogrammen für eine Freigabe von Marihuana und Haschisch aus. Bleibt die Frage, ob die Union bei diesem Projekt mitgeht. So hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor wenigen Wochen in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ erklärt, sie halte nichts von einer Legalisierung. „Wir erlauben eine sehr begrenzte Anwendung im medizinischen Bereich, darüber hinaus beabsichtige ich keine Änderungen.“
Vorreiter einer Legalisierung ist Schleswig-Holstein. Vor 20 Jahren hatte dort noch Horst Seehofer (CSU), seinerzeit Bundesgesundheitsminister, eine Freigabe des Kiffens verhindert. Doch nun haben sich die Grünen in den jüngsten Jamaika-Verhandlungen in Kiel durchgesetzt. Im Koalitionsvertrag von CDU, FDP und Grünen heißt es: „Die Möglichkeit zur kontrollierten Freigabe von Cannabis im Rahmen eines Modellprojekts werden wir prüfen.“ Noch ist unklar, wo Konsumenten ihr Haschisch oder Marihuana erwerben könnten. In Coffeeshops, wie in den Niederlanden? In Apotheken? Die Apothekerschaft ist nicht sonderlich begeistert über die Jamaika-Blütenträume. Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, sagte bereits 2015 in einem Interview: „Wir sehen als Pharmazeuten vor allem die gesundheitlichen Risiken. Insofern kann ich nicht sehen, dass wir uns freiwillig als Vertriebskanal zur Verfügung stellen. Ein Monopol der Apotheken auf die Abgabe von Drogen? Das wollen wir nicht.“ Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt das legale Kiffen rundum ab. „Der Joint darf nicht schön geredet werden“, sagte die GdP im Sommer dem „Flensburger Tagblatt“. Durch eine Legalisierung werde nicht weniger Arbeit auf die Polizei zukommen. Im Gegenteil, es seien mehr Kontrollen wegen bekiffter Autofahrer nötig. Zudem sei der Gehalt des Cannabis-Rauschstoffes THC in den vergangenen Jahren gestiegen.
Auch bei der CDU in Rheinland-Pfalz bleibt man skeptisch. Der Bundestagsabgeordnete und Landeschef der Jungen Union, Johannes Steiniger, lehnt die Legalisierung ab. „Cannabis erhöht nicht nur das Risiko für Psychosen und Schizophrenien bei Jugendlichen um das Sechsfache, es dient häufig auch als Einstieg zu noch gefährlicheren Drogen“, sagt er. „Das Argument, man müsse den Schwarzmarkt durch Legalisierung austrocknen ist darüber hinaus völlig absurd; damit könnte man auch die Legalisierung von Heroin begründen.“ Der Pfälzer setzt vor allem auf stärkere Prävention und bessere Aufklärung gerade von Jugendlichen.
Uruguay könnte das neue Kifferparadies werden. Wer sich in dem südamerikanischen Land registrieren lässt, kann pro Woche bis zu zehn Gramm Marihuana in der Apotheke kaufen, das Gramm zu 1,30 Dollar. FDP-Bundeschef Christian Lindner schrieb im Wahlkampf auf Twitter: „Uruguay erlaubt den legalen Verkauf von Cannabis in Apotheken. Warum nicht auch in Deutschland? FDP wäre dabei.“ Die Liberalen setzen sich in ihrem Wahlprogramm dafür ein, den Besitz und Konsum für volljährige Personen zu erlauben. In Deutschland konsumierten schätzungsweise vier Millionen Menschen Cannabis, heißt es auf Seite 93 des Programms. Dadurch würden unzählige Menschen kriminalisiert und immense Ressourcen bei der Polizei gebunden.
Die Vorsitzende der Jungen Liberalen in Rheinland-Pfalz, Maike Wolf, würde sich ausdrücklich wünschen, dass die Cannabis-Freigabe in den Koalitionsverhandlungen thematisiert wird. „Das Verbot von Cannabis hat rein historische und kulturelle Gründe. Die Kriminalisierung führt dazu, dass die Konsumenten in die Illegalität gedrängt werden, Cannabis erst zu einer sogenannten ‚Einstiegsdroge‘ wird“, sagte sie unserer Zeitung. Durch die Legalisierung und einen Verkauf an lizenzierten Verkaufsstellen gäbe es zudem fundierte Informationen beim Kauf darüber, wie genau der Stoff wirke. „Man könnte sicherstellen, dass das Gras, was gekauft wird, rein ist und so die Gefahr der Droge verhältnismäßig klein halten.“ Und die Steuereinnahmen könne man in Suchtprävention stecken. Kiffen für den Kämmerer, sozusagen.
Einige Städte experimentieren bereits mit dem Hanf. So hat die Stadt Münster ein Modellversuch zu kontrolliertem Cannabis-Konsum von Erwachsenen beantragt. Demnach sollen 100 Probanden wöchentlich bis zu zwei Gramm bekommen. Bei dem Projekt soll herausgefunden werden, ob der Konsum Einfluss auf das berufliche und soziale Leben hat, ob die Frauen und Männer weniger andere Mittelchen einnehmen und ob ihre „persönliche Zufriedenheit“ steigt.
Bei den Grünen in Rheinland-Pfalz rennen die Liberalen offene Türen ein. So hatten die Grünen schon vor fünf Jahren durchgesetzt, dass die sogenannte Eigenbedarfsgrenze von sechs auf zehn Gramm angehoben wird. Fälschlicherweise hieß es damals in manchen Medien, zehn Gramm seien nun erlaubt. Das ist falsch. Denn auch kleine Mengen Cannabis unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz. Allerdings kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung absehen, wenn es um geringe Mengen für den Eigenverbrauch geht. Die Mainzer Grünen-Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner sagt: Die Zahl der Cannabis-Konsumenten sei seit Jahren gleichbleibend hoch – trotz strafrechtlicher Verfolgung. Cannabis sei überall leicht erhältlich und der Schwarzmarkthandel liege in den Händen der organisierten Kriminalität.
„Kein Dealer fragt nach dem Personalausweis“
„Jugendschutz ist hier ein Fremdwort – kein Dealer fragt nach dem Personalausweis. Um diesen Schwarzmarkt auszutrocknen und unsere Kinder zu schützen, setze ich mich für die Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten ein“, so Rößner. Daher habe sie sich in der letzten Wahlperiode für ein Gesetz eingesetzt, das die Möglichkeit zur legalen Abgabe von Cannabisprodukten an Erwachsene in lizenzierten Fachgeschäften vorsehe. Kinder und Jugendliche hätten keinen Zugang. Geschultes Personal solle die Kunden über Risiken aufklären.
Jamaika könnte das auf den Weg bringen. Doch dazu müsste Merkel das Hanf freigeben.

http://www.allgemeine-zeitung.de/politik/rheinland-pfalz/gibt-merkel-das-hanf-frei_18248099.htm

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