Samstag, 23. Dezember 2017

Angst vor Apokalypse, aber kein Dealer


Prozess: 37-Jähriger hortete Waffen, Gold und Drogen - Aschaffenburger Landgericht ordnet Entzug an.Ist der An­ge­klag­te ein Dro­gen­dea­ler oder ein Kon­su­ment mit Apo­ka­lyp­se-Ängs­ten? Über die­se Fra­ge muss­te die Gro­ße Straf­kam­mer des Aschaf­fen­bur­ger Land­ge­richts ent­schei­den. In der Woh­nung des 37-Jäh­ri­gen hat­ten Rausch­gift­fahn­der ne­ben an­de­ren Dro­gen 1,5 Ki­lo Ha­schisch so­wie ein »re­gel­rech­tes Waf­fenar­se­nal« ent­deckt.

Während die Staatsanwaltschaft bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben anklagte, sprach die Verteidigung von Drogen für den Eigenbedarf. Sein Mandant gehöre der sogenannten Prepper-Szene an, so Rechtsanwalt Christoph Jahrsdörfer. Dabei handelt es sich um Menschen, die sich auf das Überleben nach einer Katastrophe wie einem Atomunfall oder einer Staatskrise vorbereiten (siehe Hintergrund).
V-Person gab Hinweis
Alles begann mit einem Hinweis einer Vertrauensperson (V-Person). Ein Mann deale in seiner Wohnung im Kreis Aschaffenburg mit Haschisch, gab diese gegenüber einem Polizeibeamten an. Er konnte nur den Vornamen und die Adresse nennen, das reichte den Ermittlern aber für einen Durchsuchungsbeschluss. Und tatsächlich: Die Fahnder stießen auf große Mengen Rauschgift. Doch der 37-Jährige hatte nicht nur Drogen gehortet: Atemschutzmasken, Äxte, Messer, Bögen, Armbrust, Pfeile und vieles mehr wurden ergänzt von einer riesigen Menge Einmachgläsern mit Obst und Gemüse. Hinzu kamen mehrere 20 Liter Behältnisse in denen Nudeln, Kartoffeln, Reis und sogar selbst gepökeltes Fleisch luftdicht verstaut waren. Ein Koffer mit Barren und Münzen aus Gold und Silber mit einem Wert von rund 10 000 Euro vervollständigte den Fund.
Autarkes Leben im Wald
Sein Mandant habe all diese Dinge angehäuft, um ein autarkes Leben führen zu können, so Rechtsanwalt Christoph Jahrsdörfer. Dafür habe er nicht nur mit zwei eigenen Mühlen Getreide gemahlen, sondern auch regelmäßig in einem Zelt im Wald gehaust und von dem gelebt, was dieser so biete und was er selbst hergestellt habe. Kurz: Der Angeklagte sei zwar »ein Endzeitstimmungsfanatiker« und habe Rauschgift konsumiert, aber er sei kein Drogenhändler.
Das sah Staatsanwalt Karsten Krebs anders: »Das Geschichtchen von der Prepper-Szene mag ja wahr sein, aber auch ein Prepper braucht keine 1,5 Kilo Cannabis.« Er blieb bei dem Vorwurf, dass der arbeitslose Angeklagte mit Drogen gehandelt habe. Gold und Silber stammten seiner Überzeugung nach aus den Einnahmen.
Jahrsdörfer hatte ausgeführt, dass sein Mandant den Banken misstraue und deshalb Edelmetalle angeschafft habe, deren Wert stabil bleibe. Woher das Rauschgift stammte, hatte der 37-Jährige geschildert: Ein Freund von ihm sei vor zwei Jahren gestorben, der Bekannte, der dessen Wohnung ausräumte, fand das Haschisch im Keller und verkaufte es an den Angeklagten weiter.
Dieser hatte dem Gutachter gegenüber angegeben, seit 14 Jahren Drogen zu nehmen. Dreimal war er mit Betäubungsmitteln erwischt worden, einen Entzug hatte er noch nicht gemacht. Der Gutachter empfahl deshalb eine Therapie von zwei Jahren. Neben der Sucht diagnostizierte er keine Störung, die einen Entzug überlagern könne: »Die Zugehörigkeit zur Prepper-Szene ist keine psychische Störung«, betonte er.
So weit die Einschätzungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung bezüglich des Delikts auseinanderlagen, so sehr unterschieden sich auch ihre Strafforderungen: Krebs plädierte auf sechs Jahre Haft und Drogen᠆therapie wegen bewaffneten Handeltreibens, Jahrsdörfer auf drei Jahre und Therapie wegen Drogenbesitzes in nicht geringer Menge.
»Weckruf«
Dem folgte das Gericht weitgehend: Der 37-Jährige bekam eine Strafe von drei Jahren und sechs Monaten. Er soll sofort mit dem Entzug beginnen, bei Erfolg wird der Rest der Strafe zur Bewährung ausgesetzt. »Die Kammer kann den Drogenverkauf nicht ausschließen, sie kann sich aber auch nicht davon überzeugen«, sagte der Vorsitzende Richter Büchs und sorgte für Aufatmen beim Angeklagten. Dieser hatte sich in einem langen letzten Wort entschuldigt. »Das war der Weckruf für mich.« Nach der Therapie wolle er bei seiner Verlobten einziehen, Arbeit finden und sich in seiner Freizeit mit dem ökologischen Anbau von Lebensmitteln beschäftigen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

http://www.main-echo.de/regional/franken-bayern/art4005,5322097

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