Donnerstag, 28. Dezember 2017

Wenn der Staat Gras anbaut


Amsterdam. Es ist ein gewagtes Experiment, das von manchen gar als historisch bezeichnet wird: Die erst im Oktober 2017 vereidigte niederländische Regierung will einen Versuch starten, bei dem sich mehrere Kommunen im Marihuana-Anbau versuchen. Der staatlich regulierte Anbau soll dem äußerst lukrativen Schwarzmarkt das Wasser abgraben.
Seit langem streitet man in den Niederlanden um die sogenannte "illegale Hintertür" der Coffeeshops. Durch die kommt die Ware herein, die sie an der "Vordertür" verkaufen. Nicht legal, aber "geduldet". Anbau und Belieferung der Läden aber sind illegal. Ein Widerspruch, der umso deutlicher wurde, je mehr das Land sich zum Ziel von THC-Touristen entwickelte. Und die Hintertür damit zur Geschäftsoption - für kleine Hobbyzüchter und die organisierte Kriminalität.

Die Regierung ist eben erst im Dienst, als in Den Haag ein bemerkenswertes Treffen stattfindet: Im Kultur- und Wissenschaftsmuseum Museon kommen Vertreter von 250 Coffeeshops zum "Unternehmer-Tag" zusammen. Sie wollen das geplante Experiment besprechen, das in der Branche zunächst positiv zur Kenntnis genommen wird. Doch es bleiben viele Fragen: Wie sichert man die Qualität der Ware, wie ein reichhaltiges Angebot? Können Coffeeshops mit mehreren Züchtern zusammenarbeiten? Oder gar selbst anbauen, einzeln oder gemeinsam?
 
Eigentlich, sagt Ed Pattché, ist die Sache deutlich. "Wir wollen das am liebsten selbst regeln, keinen Staatsanbau!" Ein paar Wochen nach dem Treffen sitzt Pattché, ein ruhiger Mann Anfang 50 mit zurückgekämmten grauen Haaren, im Büro des Coffeeshops Het Paradijs in Breda, den er seit sieben Jahren betreibt. Zuvor war er in De Baron tätig, ein paar hundert Meter entfernt nur. Ein Veteran der Szene in Breda, einer Stadt, die gut zehn Kilometer nördlich der belgischen Grenze liegt.
Sorge um gutes Angebot
Beim Konzept "Staats-Gras" befürchtet Pattché Rahmenbedingungen, die er als Unternehmer nicht akzeptieren kann: "Dann gibt es vier Sorten, und ansonsten haben wir nichts zu melden." Nebenan, im Paradijs, ist um die Mittagszeit noch nicht viel los. Über den Monitor auf dem Schreibtisch kann man vom Büro aus das Treiben im Verkaufsraum verfolgen. Gäste, die einen Blick auf die Menükarte werfen, haben eine große Auswahl: Gut 20 Sorten Gras und zehn Sorten Haschisch hat er, sagt Pattché. "Diversität ist wichtig, sonst gehen die Kunden woanders suchen."
 
"Woanders", das bedeutet auf der Straße, wo die Qualität schlechter ist, die Chance auf gestreckte Ware höher und der kriminelle Sumpf, den die Regierung doch austrocknen will, zumindest einen Schritt näher liegt. Aber wie genau das in Zukunft aussehen soll, darüber macht man sich in der Branche Sorgen. "Ich will gerne meinen eigenen Vorrat produzieren", erläutert Ed Pattché. "Auf Rechnung, richtig mit Buchhaltung. Meine Züchter bekämen eine Genehmigung und könnten als Selbstständige arbeiten."
 

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