Donnerstag, 28. Dezember 2017

Juristen streiten über Hanf-Plantage


Ein Staatsanwalt ließ eine Wohnung in Bredstedt durchsuchen – ohne richterlichen Beschluss. 

Der Geruch einer illegalen Hanf-Plantage in einer Wohnung in Bredstedt ist längst verzogen, doch seit nunmehr drei Jahren wabert ein Streit unter Juristen um grundsätzliche Fragen zum damaligen Vorgehen der Ermittler durch Schleswig-Holsteins Justiz. Ein heute 27-Jähriger war 2014 aufgeflogen, weil er daheim unter drei Zelten seine Pflanzen sorgsam hegte, sie bewässerte, beleuchtete und sie be- und entlüftete.
Die Staatsanwaltschaft in Flensburg hatte nicht erst auf den von ihr bereits bei einer Ermittlungsrichterin beantragten Durchsuchungsbeschluss gewartet, sondern von sich aus das Eindringen der Polizei in die Wohnung angeordnet. Das Verfahren landete kürzlich vor dem Schöffengericht in Husum. Dort ging es um die Frage, ob das Gericht die Beweise angesichts des eiligen Vorgehens der Staatsanwaltschaft überhaupt noch verwerten darf. Das Husumer Gericht entschied sich für einen glatten Freispruch des 27-jährigen Angeklagten, weil die Ermittler nur bei gebotener Eile oder Gefahr im Verzug von sich aus eine Wohnung durchsuchen dürfen. Genau das sah das Gericht als nicht gegeben an. So wie in Fernsehkrimis die Kommissare in Serie schon mal ohne richterlichen Beschluss in Wohnungen schnüffeln, gilt die Unverletzlichkeit von Wohnungen in der Realität als hohes Rechtsgut und ist darum auch grundgesetzlich abgesichert.
Doch von Anfang an: Viele Pflanzen verströmen Gerüche, mit denen sie Nützlinge anlocken und Parasiten verscheuchen. So verbreiten auch Hanf-Plantagen einen typischen, oft als süßlich beschriebenen Duft. Der stieg in Bredstedt aus der Wohnung des 27-Jährigen. Nachbarn und Vermieter alarmierten die Polizei vor Ort, die am 12. November 2014 die zuständige Kripo in Niebüll hinzuzog.
Gegen 11 Uhr rief ein Staatsanwalt die Richterin an, die bestand auf einer schriftlichen Notiz der Polizei, bevor sie entscheiden wolle. Gegen 16 Uhr entschied der Staatsanwalt von sich aus, die Wohnung durchsuchen zu lassen, ohne länger auf das Okay der Richterin zu warten.

Rechtsanwalt Peter Tode aus Wohlde, der den Angeklagten verteidigt, beantragte in dem Husumer Verfahren, keinen der vorgefundenen Beweise zu verwerten, und riet seinem Mandanten ausdrücklich zu schweigen. Er bezog sich dabei auf eine kurz nach der Durchsuchung vom Bundesverfassungsgericht gefällte Entscheidung: Sobald ein Staatsanwalt bei einem Richter einen Durchsuchungsbeschluss beantragt hat, muss er die Füße stillhalten und auf die Entscheidung warten. Tode widersprach auch den Versuchen der Staatsanwältin, mit Eile oder Gefahr im Verzug das eigenständige Handeln zu begründen. Das Mietverhältnis war zwar schon gekündigt, aber der Auszug aus der Wohnung sollte erst später erfolgen. Außerdem wäre die Plantage nicht so ohne Weiteres zu entsorgen gewesen. Auch von dem Argument, die höchstrichterliche Entscheidung sei ja erst später getroffen worden, wollte der Verteidiger nichts hören. Urteile des Bundesverfassungsgerichts gelten laut seinem Vortrag nicht erst ab Verkündung, sondern bewerten auch die Rechtslage zuvor.
Der Argumentation schloss sich das Gericht in vollem Umfang an und sprach den Mann wegen der umstrittenen Entscheidung des Staatsanwaltes frei. Die Richterin fügte aber in Richtung des Angeklagten hinzu: „Ich hoffe, Sie beschäftigen sich heute mit anderen Dingen.“
Fortsetzung folgt, denn die Staatsanwaltschaft ist – überraschend für den Verteidiger – in Berufung gegangen. Der Anklagebehörde „geht es um die Rechtsfrage, ob die Anordnung der Durchsuchung rechtmäßig war“, wie Oberstaatsanwältin Ulrike Stahlmann-Liebelt die Entscheidung für die Berufung gegenüber unserer Zeitung begründete. Damit geht die Klärung des schmalen Grates zwischen zügiger Durchsuchung durch Ermittlungsbehörden ohne Richterbeschluss und dem geduldigen Abwarten auf einen solchen in die nächste Runde.

https://www.shz.de/lokales/husumer-nachrichten/juristen-streiten-ueber-hanf-plantage-id18648951.html

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