Mittwoch, 22. November 2017

Die Ratten vom Alexanderplatz


Unter der Brücke frieren Obdachlose, es gibt Haschisch und Schläge, die Flüchtlinge sind da, junge Menschen hängen ab, von Polizei bewacht. Zwei Nächte an einem „Todesort“ unter dem Fernsehturm Berlins.

„Haschisch und Alkohol und Mädchen“, das sagt Hadi, deswegen ist er da, der schmale Mann mit kleinen Augen, in dieser Nacht, an diesem Alexanderplatz. Er will über das Land, aus dem er kommt, nicht sprechen, deshalb Gespräche über Mädchen. „Aus Primark kommen die besten, wie Kim Kardashian“, sagt er auf Deutsch, das unentschlossen, schief seinen Mund verlässt. Hadi hat einen schwarzen Bart, der seltsam falsch sitzt im Gesicht, denn es sieht viel zu jung aus für den Bart. Er sitzt hinter dem Fernsehturm, schaut auf den Neptunbrunnen. Und neben Hadi – ich. Es ist zehn Uhr am Abend, der Himmel schwarz. Auf einmal ziehen drei Schatten auf, drei dunkle, große Männer kommen näher, und wie von selbst schiebt meine Hand sich in die Tasche, da ist das Pfefferspray.
        
Batterien. Zwei Körper werden jeden Tag am Alexanderplatz verletzt, das sagt eine Statistik. „Kaufen!“, sagt deshalb der Kopf in dieser Drogerie. Doch an der Kasse kommt die Scham, die Angst, wie eine AfD-Komplizin auszusehen. „Fünf fünfundneunzig“, sagt unbeeindruckt die Kassiererin, als ob es Alltag wäre, so was zu kaufen, zu verkaufen. Danke.

Trinken, Drogen nehmen, nach Liebe suchen oder Sex

Zwei Stunden später, Mittag, die Sonne drückt sich an den Fernsehturm, vor ihm die jungen Menschen. Sie hängen rum, wie Wäsche, die zum Trocknen hängt. Zwei Mädchen mit Zahnspangen, mit Zigaretten bewegen sich im Wind. Sie hören Rap und rappen mit und filmen sich, wie sie Rap hören und mitrappen. Warum trefft ihr euch hier? „Weil man hier shoppen kann und Freunde treffen. Alles!“, sagt eine. Und habt ihr Angst? „Null Angst“, sagen die Zahnspangen zusammen und dann, dass man sich nur „korrekt benehmen muss“.
Das können nicht alle. Am Alexanderplatz machen ungefähr 15 Männer immer wieder Ärger, es sind Straftäter, Flüchtlinge, das sagt eine Politikerin, die jetzt einen Jugendraum in einer Ecke hinterm Fernsehturm eröffnet. Dort sollen die friedlicheren Flüchtlinge, ungefähr 150 sind das, beschäftigt werden, damit sie nicht Verbrecher werden wie die verbrecherischen 15 und auch damit die jungen fremden Männer nicht das machen, was junge Männer – nicht nur fremde – machen: trinken, Drogen nehmen, nach Liebe suchen oder Sex.
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen