Freitag, 24. November 2017

Verkauften Beamte kiloweise sichergestellte Drogen?


Die Norderstedter Kripo stellte 8,5 Kilo Haschisch durch Zufall sicher – zwei Kieler Beamte sollen damit gedealt haben.

Norderstedt. Der Fahrer des Baggers staunte wahrscheinlich nicht schlecht, als ihm klar wurde, was seine Baggerschaufel da gerade in der Alvesloher Erde zutage gefördert hatte. 8,5 Kilogramm Haschisch, unterteilt und verpackt zu 34 Platten von je 250 Gramm. "Das waren Bauarbeiten an Lärmschutzwänden zur Autobahn", erinnert sich Norderstedts Kripo-Chef Volker Willert an jenen Tag im Mai 2016. "Nach dem Fund rief der Baggerführer sofort bei uns an."

Die Kripo-Beamten fuhren nach Alveslohe und stellten das Haschisch sicher. "Wir haben den Fund kriminaltechnisch und spurenschonend untersucht. Und schließlich der Staatsanwaltschaft in Kiel übergeben", sagt Willert. Keine Angaben macht er darüber, ob die Kripo den Eigentümer ermittelte, der das Rauschgift mit einem Straßenverkaufswert von vielen Tausend Euro in jenem Kiesbett an der Autobahn verscharrt hatte.
 

Kripo übergab die Drogen an die Asservatenkammer

Die Norderstedter Kripo-Beamten gingen davon aus, dass die Drogen nun endgültig aus dem Verkehr gezogen sind und bis zu ihrer Vernichtung in der Asservatenkammer in Kiel gelagert werden. Doch zwei Mitarbeiter der Kammer sollen mit dem Stoff ganz andere Pläne gehabt haben: Das Alvesloher Haschisch und andere Betäubungsmittel verkauften sie gewinnbringend weiter. So lautet zumindest die Anklage des jetzt vor dem Landgericht in Kiel gestarteten Prozesses gegen die seit Mai in U-Haft sitzenden Asservatenverwalter.
In der Kieler Strafverfolgungsbehörde waren der Beamte (61) und der Angestellte (63) für die amtlich dokumentierte Verwahrung und Vernichtung beschlagnahmter Drogen zuständig. Über drei Jahre hinweg sollen sie in 20 Fällen Betäubungsmittel unterschlagen und einen schwunghaften Handel damit getrieben haben. Punkt 1 der Vorwürfe betrifft den 8,5 Kilo schweren Drogenfund von Alveslohe.
 

Die Drogen aus Alveslohe sollten verbrannt werden


Danach legten die Angeklagten dafür wie vorgeschrieben einen Asservatenzettel an, auf dem sie jedoch ohne Angabe des Gewichts und der Qualität des Stoffes lediglich eine "braune Substanz" vermerkten. Die Behördenleitung ordnete später die Vernichtung des zu versiegelnden BTM-Materials in der Müllverbrennungsanlage an. Auf dem Papier wurde das "Asservat 6302/16" aus Alveslohe denn auch als "vernichtet" ausgetragen.

Doch bei einer Überprüfung im April 2017 stellten die Vorgesetzten der Angeklagten fest, dass der größte Teil des in der 2800-Einwohner-Gemeinde gefundenen Haschischs noch in der Behörde lagerte – in Kartons, "ohne sachliche Notwendigkeit" umportioniert in zehn größere Platten. Die Behörde ordnete weitergehende Kontrollen an. Daraufhin sollen die Angeklagten ihrem Depot 800 Gramm zur Vorlage entnommen haben. Wäre den Vorgesetzten die Fehlmenge aufgefallen, hätten sie ein zweites Drogenpaket vorgelegt, so der Vorwurf.
 

Asservatenverwalter verkauften kiloweise Drogen

Laut Anklage verkauften die Asservatenverwalter kiloweise Marihuana, Kokain und Heroin an unbekannte Abnehmer weiter und teilten sich den Gewinn. Am Dienstag begann ihr Strafprozess vor dem Kieler Landgericht. Wie Oberstaatsanwalt Carsten Ohlrogge ausführte, hätten die Asservatenverwalter in 18 Fällen eine "nicht geringe Menge" unterschlagen, deren Verkauf als Verbrechen mit jeweils einem Jahr Mindeststrafe geahndet wird.
Angesichts des erheblichen Drogenschwunds in der Kieler Asservatenkammer geht Ohlrogge davon aus, dass die Verwalter zwischen April 2014 und Mai 2017 in mindestens zehn Fällen mindestens ein Kilo Marihuana unterschlagen haben. Diese Menge hätten sie jeweils für mindestens 2200 Euro verkauft. Demnach umfasst die Anklage möglicherweise nur einen Teil der illegalen Geschäfte.
 
Wegen der hohen Straferwartung hat der Haftrichter für beide Angeklagte U-Haft angeordnet. Als Haftgründe werden Flucht- und Verdunklungsgefahr genannt. Das mutmaßliche Tatmotiv: Sie wollten sich einen Lebensstandard ermöglichen, den sie mit ihren legalen Einkünften im einfachen Dienst nicht hätten finanzieren können.

Ein Urteil des Gerichts wird im Januar erwartet

Bei einer Durchsuchung des gemeinsamen Dienstzimmers der Angeklagten waren die Ermittler am 22. Mai 2017 in der Außenstelle der Kieler Anklagebehörde auf eine größere Menge Drogen gestoßen. Sie waren in einem Umschlag verpackt und hinter einem Aktenbock versteckt. Die Staatsanwaltschaft Itzehoe übernahm die Ermittlungen, um jedem Anschein einer möglichen Befangenheit vorzubeugen.
Der ältere, nicht verbeamtete Mitarbeiter soll auch andere Gegenstände aus der Asservatenkammer unterschlagen haben. Als Gegenleistung für eine Bohrmaschine und Parfüm kam der 63-Jährige laut Anklage in den Genuss eines kostenlosen Aufenthalts in einer Ferienwohnung auf Amrum.
 
Der von großem Medieninteresse begleitete Prozessauftakt in Kiel war der Verlesung der ausführlichen Anklageschrift vorbehalten. Ob die Angeklagten sich zu den Vorwürfen äußern, wollen sie bei der Fortsetzung am 11. Dezember mitteilen. Ein Urteil wird im Januar erwartet.
 

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