Dienstag, 21. November 2017

Verbot von Cannabisstudie: Ausnahme oder Alltag?


Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat ein Pilotprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis gestoppt. Der Entscheid bringt eine Grundsatzfrage mit sich: Bremst die Schweizer Politik wissenschaftliche Versuche?
Die Stadt Bern wollte ein Forschungsprojekt durchführen, in dessen Rahmen Apotheken in Bern Cannabis verkauft hätten. So sollten Erkenntnisse über das Konsum- und Kaufverhalten, das Befinden der Probanden und den Schwarzmarkt gewonnen werden.
Die kantonale Ethikkommission hatte ihr Einverständnis gegeben. Zwei Rechtsgutachten bescheinigten, dass die Studie im heutigen gesetzlichen Rahmen hätte durchgeführt werden können. Der Schweizerische Nationalfonds (SNF) hatte 720'000 Franken für den Versuch gesprochen.
Weitere Städte wie Basel, Zürich und Genf hatten Interesse an dem Vorhaben signalisiert. Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset (SP) hatte das Pilotprojekt begrüsst. Sein Kollege und Neo-Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) ist ein Befürworter der Legalisierung von Cannabis.

Keine rechtliche Grundlage

Gleichwohl wurde das Pilotprojekt des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Universität Bern nicht bewilligt. "Das geltende Betäubungsmittelgesetz verbietet den Konsum von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken", teilte das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in einer Medienmitteilungexterner Link mit, auch wenn es ein gesundheitspolitisches Anliegen gebe, mit solchen Studien neue Formen des gesellschaftlichen Umgangs mit Cannabis zu erforschen. Es wäre denn auch grundsätzlich zu begrüssen, neue Regulierungsmodelle wissenschaftlich analysieren zu können.
In der Schweiz sind unter anderem Anbau, Herstellung, Inverkehrbringen, Besitz und Konsum von Cannabis mit einem THC-Gehalt von mehr als 1 Prozent verboten. THC ist die psychoaktive Substanz, welche bei einem Gehalt von mehr als 1 Prozent eine Rauschwirkung von Cannabis verursachen kann.
Für wissenschaftliche Forschungsprojekte oder für die beschränkte medizinische Anwendung können Anbau, Herstellung und Inverkehrbringen von Cannabis laut BAG ausnahmsweise bewilligt werden. Der Konsum zu Genusszwecken, wie ihn die vorliegende Studie anstrebe, bleibt gemäss BAG aber in jedem Fall verboten und könne nach Betäubungsmittelgesetz nicht bewilligt werden, auch nicht im Rahmen von wissenschaftlichen Studien. Im Gesetz wird zwischen Cannabis zu medizinischen Zwecken und Drogen klar unterschieden.

Gesetz strikt angewendet

Die Universität Bern als Gesuchstellerin kann gegen den Entscheid innerhalb von 30 Tagen Beschwerde einreichen. Bereits jetzt hat der Entscheid kontroverse Reaktionen ausgelöst. Politiker der national-konservativen SVP sowie Jugendschutzverbände begrüssten den Entscheid, da sie in einer allfälligen Bewilligung einen ersten Schritt zu einer Legalisierung von Cannabis gesehen hätten. Genau umgekehrt fiel die Reaktion von Gruppen aus, welche gegen den Drogenhandel auf der Strasse kämpfen, beispielsweise die "Fachgruppe Westschweiz zu Abhängigkeiten". Sie bezeichnen den BAG-Entscheid als "Katastrophe".
"Das Betäubungsmittelgesetz erlaubt diese Art der Versuche nicht", räumt Soziologe Sandro Cattacin ein, der an der Universität Genf lehrt und sich für die kontrollierte Abgabe von Cannabis in Genf einsetzt. "Gleichwohl wäre eine weniger legalistische Auslegung des Gesetzes wünschenswert gewesen", kommentierte er in der Westschweizer Tageszeitung "24 heures".
Auch Sven Trelle, Projektleiter und Co-Direktor des klinischen Studienzentrums der Universität Bern, hätte sich mehr Flexibilität der Behörden gewünscht. "Ich bin kein Jurist, aber die von uns in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten haben aufgezeigt, dass es einen gewissen Spielraum bei der Interpretation des Gesetzes gibt. Nächste Woche werden wir entscheiden, was nun zu tun ist", sagt Trelle auf Anfrage von swissinfo.ch

https://www.swissinfo.ch/ger/abbruch-von-pilotprojekt_verbot-von-cannabisstudie--ausnahme-oder-alltag-/43685060

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