Dienstag, 21. November 2017

«Egal, wo ich bin, ich kann die Inspiration fliessen lassen»


«Cali P» heisst eigentlich Pierre Nanon, ist Reggaesänger und als solcher am Freitagabend im «Holästei» in Glarus aufgetreten. Danach ist er aber nicht einfach verschwunden. Unter anderem hat er im Interview erzählt, was ihn mit dem Glarnerland verbindet.

Der Reggaesänger Cali P hat seine Wurzeln in der Schweiz und Guadeloupe. Heute lebt es in Jamaika und hat 2016 sein bereits 4. Album herausgebracht. Er reist durch die ganze Welt, um Konzerte zu geben, ist dabei aber bodenständig geblieben. So verschwand er am Freitag nach seinem Konzert im «Holästei» nicht im Backstagebereich, sondern mischte sich unter das tanzende Publikum und feierte mit. Im Interview spricht er über seinen Arena-Auftritt, positive Gedanken und seinen Bezug zum Glarnerland.
Cali P ist ein Name, der Reggae-Fans ein Begriff ist, manchen unserer Leser aber vielleicht noch nicht. Wie würdest Du Dich selber vorstellen?
Ich würde mich vorstellen als Pierre . Aber musikalisch als Cali P. Ich liebe die Musik, die ich mache. Ich mache ehrliche Musik, ich limitiere mich nicht in Musikstilen. Ich mache zwar Reggae und Dancehall, höre aber ganz verschiedene Musik.
Was hörst Du denn im Moment gerne – ausser Reggae und Dancehall?
Ich höre wirklich viel Unterschiedliches. Afrobeats habe ich zum Beispiel gerne. Etwas, das mich fasziniert, ist zu sehen, dass es eine Änderung im Musikkonsum gibt und viele junge Leute jetzt auf Trapmusik abfahren. Ich höre da auch rein und studiere das Ganze ein bisschen. Ich finde es toll, dass Pronto aus der Schweiz – ein Freund von mir – das mega cool macht. Er rappt so, dass man das Schweizerdeutsch gar nicht mehr versteht. Ich finde es lustig, dass das in der Schweiz so gut funktioniert.
Musik begleitet Dich allgemein schon dein ganzes Leben. Was sind deine frühsten Kindheitserinnerungen mit Musik?
Ja, wirklich, seit ich mich erinnern kann, war Musik immer dabei. Zuhause lief Musik, mein Vater machte Musik, stellte selber Trommeln her, verkaufte sie und gab Kurse. Ich ging auch mit meinen Eltern oft an Konzerte und habe mich für alles, was mit Musik zu tun hat, interessiert. Als kleines Kind faszinierten mich Plattencovers – sobald es die irgendwo hatte, war ich nur noch da zu finden.
Welchen Deiner Songs würdest Du jemandem empfehlen, um einen ersten Einblick in dein Schaffen zu erhalten?
Im Moment wohl gerade «Guiding Shield», das ist vom neusten Album. Es ist ein Lied, das ich sehr mag wegen der Vibes und wegen der Harmonien. Und das Video zu machen war sehr schön in Jamaika. Ich glaube, das würde ich als erstes jemandem zeigen.
«Ich finde, das Beste ist, dass ich hier auf den Bühnen Schweizerdeutsch sprechen kann.»
In deinem jüngsten Album, I Toughts, sprichst Du im Intro darüber, dass Kinder aus Fehler lernen, dass wir Grenzen überwinden sollen und vor allem positiv denken. Wem würdest du das Intro heute gerne vorspielen?
Ich glaube, das ist eine Message, die für jeden einzelnen Menschen gilt. Es ist kein Angriff gegen irgend jemanden. Es sind Gedanken, die ich mir gemacht habe, um besser durchs Leben zu kommen. Das geht sogar an mich selber. Das geht an alle Leute. Wenn man positive Gedanken hat und Sachen von Beginn an von der positiven Seite anschaut, dann kommt man auch eher zur positiven Seite.
Im Mai warst Du Gast in der «Arena» des Schweizer Fernsehens SRF zum Thema «legal kiffen?». Wie hast Du die Diskussion in Erinnerung?
Ich wurde in die «Arena» eingeladen. Die haben wohl das Video auf Youtube von mir gesehen, das über 7 Millionen Mal angeschaut worden ist und sich um Gras dreht. Als Schweizer Musiker und jemand, der die Legalisierung befürwortet, haben sie mich eingeladen. Ich fand den Auftritt dort gut. Was ich schade fand, ist, dass meiner Meinung nach zu wenig auf Hanf als Heilmittel eingegangen worden ist. Hanf als Heil- und nicht als Genussmittel. Jeder weiss, dass Rauchen schädlich ist. Ich weiss, dass Hanf mit Zigaretten vermischt ein Genussmittel ist, und das sollte man auch als das anschauen. Ich glaube, wenn man die Bevölkerung dafür sensibilisieren könnte, wäre das Verständnis für die Befürworter auch grösser. Ich finde, man sollte ganz klar diesen Unterschied machen. Auch das ist Teil der Prävention, dass man die Leute aufklärt, wofür man Hanf brauchen und Hanf einsetzen kann.
Setzt du dich für andere politische Themen ein?
Ich interessiere mich für politische Themen. Was ich oft mache, ist an Orte zu gehen, obwohl mir Leute abraten, dorthin zu gehen – weil es etwa zu gefährlich oder zu schlimm sei. Jamaika war so ein Ort oder Israel. Und als ich dorthin ging, machte ich ganz andere Erfahrungen – vielleicht auch durch meine positive Einstellung. Ich bin jemand, der sich dafür interessiert, was in der Welt passiert, und ich singe darüber. Das ist für mich eine Art der Spiegelung davon, was läuft. Natürlich mische ich auch noch mein Gefühl dazu rein.
Ein grosses politisches Thema in der Schweiz ist momentan die No-Billag-Initiative. Dagegen setzen sich unter anderem Kulturschaffende ein. Hast Du Dich schon damit auseinandergesetzt?
Ich habe mir schon viele Gedanken dazu gemacht, ehrlich gesagt. Ich kann mich noch erinnern, als ich früher, so mit 18 Jahren, zum ersten Mal alleine wohnte und die ersten Billag-Rechnungen kamen. Ich fragte mich: «Was soll das eigentlich?» Ich meine, niemand zahlt gerne Rechnungen. Aber schliesslich ist es schon gut, wenn man freien Journalismus haben kann. Dass das so bleibt, da bin ich durchaus dafür. Ich hoffe, dass es so bleibt. Vielleicht findet man ja sogar eine Lösung, dass nur die, die wollen, weiter bezahlen sollen und die anderen nicht, dafür profitieren dann auch nur noch die, die dafür bezahlt haben.
In einem Interview vor einigen Jahren sagtest du, dass die Musiker in der Schweiz weniger gefördert würden als beispielsweise in Jamaika. Ist das deiner Meinung nach immer noch so?
Wenn man sich interessiert für Schweizer Musiker, schafft man es schon, auch über die Schweizer Musik informiert zu bleiben. Ich denke, man kann aber sowieso immer daran arbeiten, lokale Artisten noch besser zu platzieren und bekannter zu machen.
Was könnte man daran ändern?
Wenn man beispielsweise ein grosses Festival in der Schweiz hat, und man lädt Artisten aus der ganzen Welt ein, dann ist es heute so, dass Schweizer Musikern zwar ein Auftrittszeitfenster gegeben wird. Wenn das dann aber zwischen 12 und 14 Uhr am Nachmittag ist, nützt das weniger, als wenn das einmal um 20 Uhr am Abend ist. Dann ist nicht nur das Publikum viel grösser, sondern die internationalen Artisten, die selber auftreten, bekämen das Konzert auch mit und könnten dann beispielsweise auf die Idee kommen, einen Song mit diesem Schweizer Künstler zu machen.
Was ist das Beste und was ist das Mühsamste an Konzerten in der Schweiz?
Ich finde, das beste ist, dass ich hier auf den Bühnen Schweizerdeutsch sprechen kann. Das geht sonst nirgends. Am mühsamsten – da könnte ich jetzt nichts nennen. Ich persönlich kann mich nicht über fehlenden Support von meinen Fans in der Schweiz beklagen. Daher bin ich im Grossen und Ganzen sehr froh.
Für Deinen Auftritt und dieses Interview bist Du hier in Glarus. Hast Du eine bestimmte Erinnerung, die Du mit Glarus verbindest?
Da habe ich eine Riesenverbindung: Meine Grossmutter kommt aus Glarus. Sie wuchs hier auf. Sie lebte, als ich ein Kind war, dann zwar in Zürich, aber wir gingen jeweils nach Glarus, die Familie besuchen. Doch, zu Glarus habe ich eine enge Verbindung.
Im Heimatkanton Deiner Grossmutter wirst Du aber nicht lange bleiben? Was sind deine konkreten Pläne für die nahe Zukunft?
Ich wurde eingeladen, um ein Konzert in Äthiopien zu geben. Das wird mein erster Auftritt in diesem Land, in das ich zusammen mit Tiwony aus Guadeloupe und Luciano aus Jamaica hingehen werde. Da werde ich auch gleich drei Wochen bleiben und noch etwas umherreisen. Im Januar spiele ich dann in Gambia ein grosses Konzert. Momentan versuche ich auch, meine Connections in Afrika zu vergrössern, weil Reggae-Musik in Afrika wirklich riesig ist. Und ich bin oft daran, Musik aufzunehmen. Unterdessen haben wir alles so eingerichtet, dass wir auch unterwegs aufnehmen können. Egal wo ich bin, ich kann die Inspiration fliessen lassen.

https://www.suedostschweiz.ch/kultur-musik/2017-11-20/egal-wo-ich-bin-ich-kann-die-inspiration-fliessen-lassen

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